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Burn-on: wie kommt es zur chronischen Erschöpfung?

Im Gegensatz zum Burnout, welches bestens bekannt ist, handelt es sich beim Burn-on um ein noch unerforschtes Phänomen. Nur weil es unbekannt ist, bedeutet es jedoch nicht, dass es nicht real ist! Diese Form der chronischen Erschöpfung, auch chronische Erschöpfungsdepression genannt, bleibt oft lange, zu lange, unbemerkt und bringt schleichend gravierende Folgen mit sich. So entsteht sie:


....uuuuuund Action!


Der Wecker klingelt, mein Körper fährt wie ein Betriebssystem automatisch hoch und geht, völlig fremdgesteuert, durch den Tag. ...uuuuuund Action! Wie ein Action-Hero aus Hollywood versuche ich meine beste Leistung abzurufen. Ich bin beruflich erfolgreich, leiste übermässig viel, habe (von aussen betrachtet) stets alles im Griff und bin immer gut gelaunt. Und das zeigt Wirkung: ob von Vorgesetzten, Arbeitskollegen oder Geschäftspartnern, die Feedbacks sind positiv. Die Performance stimmt.


Meine innere Welt zeigt aber ein ganz anderes Bild.

Eine Frau ist von vielen farbigen Tellern umgeben, die auf Holzstäben balancieren. Mit Geschicklichkeit greift sie von einem Stab zum anderen um sicher zu stellen, dass keinen Teller herunterfällt. Burn-on-Betroffenen leisten übermässig viel und setzen immer alles daran, um viele Aufgaben parallel zu erledigen. Dabei lassen sie sich die chronische Erschöpfung, die sich innerlich spüren, nicht anmerken.
Von aussen betrachtet performen Burn-on-Betroffene mühelos und haben stets alles im Griff.

Als inhaltslose Hülle macht das Leben keinen Spass


Ist das Hollywood-Kostüm ausgezogen, oder anders ausgedrückt, sind die Pflichten vorerst erledigt, fühle ich mich nur noch wie eine leere Hülle: erschöpft, freudlos, entfremdet von mir selbst. Es bleibt keine Energie mehr für das, was mir wirklich wichtig ist, was mir guttun würde. Alles fühlt sich wie eine Verpflichtung an, auch die Dinge, die ich früher immer so geliebt und genossen habe. Sogar Ausflüge, Verabredungen mit Freunden, Sport oder Reisen sind nur noch weitere Punkte auf meiner ohnehin schon viel zu langen To-do-Liste.


Ich lebe nicht mehr, ich funktioniere nur noch, irgendwie.


So in etwa sieht der Lebenstrailer eines/einer Burn-on-Betroffenen aus. Das ständige Hin- und Herpendeln zwischen diesen zwei gegensätzlichen Zuständen ist brutal anstrengend.


Der Spagat über dem Abgrund


Im 2021 erschienenen Buch «Burn on: Immer kurz vorm Burn out» beschreiben Prof. Dr. Bert te Wildt und Timo Schiele den Burn-on als Daueranspannung zwischen zwei Polen. Analog zu einem Kunstturner, der stolz und lächelnd in einem schmerzhaften Spagat verharrt und dabei nicht bemerkt, dass sich ein Abgrund unter ihm auftut, realisieren Burn-on-Betroffene lange nicht, dass sie den Boden unter den Füssen verlieren. Oder wollen nicht hinsehen.


Eine geschlechtsneutrale Person im Comicstil verharrt in einem Spagat über einem Abgrund zwischen zwei Felsen. Burn-on-Betroffenen realisieren lange nicht, dass sie den Boden unter den Füssen verlieren. Oder sie wollen nicht wahrhaben, dass sie zu viel Stress verspüren und an einer chronischer Erschöpfung leiden.
Für Burn-on-Betroffene ist das ständige Hin- und Herpendeln zwischen Performance und Erschöpfung brutal anstrengend.

Immer an, oder gar leicht über, der Belastungsgrenze, setzen sie alles daran, um möglichst erfolgreich weiter zu performen. Die Anstrengung lassen sie sich nicht anmerken, aber die nötige Anspannung, um nicht in die Tiefe zu fallen, verlangt ihnen immer mehr Kraft ab. Im Burn-on lässt sich ein solcher Zustand schrecklich lange aufrechterhalten. Und dies ohne, dass es zum Zusammenbruch kommt, wie es im Falle eines Burnouts typisch wäre. Und genau das ist das Gefährliche! Der brennende Spagat wird zum Dauerzustand und macht krank.


Die 15 Burn-on-Anzeichen, die es zu erkennen gilt, findest du in der gleichen Blogserie unter «Burn-on: 15 Anzeichen, die auf eine chronische Erschöpfung hindeuten».


Der Stress ist Segen...


Stress ist überlebensnotwendig. Sind wir in Gefahr, löst unser Körper automatisch eine Art Alarmreaktion aus und die Stresshormone schiessen hoch. Dadurch werden kurzfristig Energie und Kraft freigesetzt, damit wir uns schützen und, im übertragenen Sinne, überleben können (Kampf-Flucht-Reaktion). Ist die Gefahr vorbei, lässt diese Reaktion nach, die Stresshormone nehmen ab und der Körper geht zurück in den Normalzustand. Diese Medaille hat aber eine Kehrseite.


...und Fluch zugleich


Wird der Stress (oder, wie im oberen Beispiel beschrieben, der Spagat) zum Dauerzustand, kann das Gleichgewicht zwischen Alarm und Erholung nicht mehr hergestellt werden. Der Stresshormonpegel bleibt konstant hoch und bringt uns aus dem Gleichgewicht. Dies beeinträchtigt unser Wohlbefinden sowohl physisch als auch psychisch stark.


Die Vielfältigkeit von möglichen negativen Konsequenzen für unseren Körper ist beängstigend: chronische Verspannungen, Bluthochdruck, Magengeschwüre, Herz/Kreislaufkrankheiten, Nierenerkrankungen, Stoffwechselstörungen, Allergien, Entzündungskrankheiten, Hautprobleme, Konzentrationsschwierigkeiten, Schlaflosigkeit, Antrieblosigkeit oder depressive Verstimmungen sind nur ein paar Beispiele.


Die Kunst der Verdrängung


Vom Burn-on betroffen sind oft Menschen, die zum Perfektionismus neigen und den Drang haben, alles um sich herum zu kontrollieren. Deswegen lassen sie es gar nicht zu, dass es zum Zusammenbruch kommt. Und weil sie ihre Arbeit bzw. Tätigkeit grundsätzlich als sinnvoll und erfüllend empfinden, das gilt gleichermassen für Berufstätige, Ehrenamtliche und Eltern, sind sie in der Lage die Anzeichen sehr lange zu verdrängen. Ähnlich wie der oben beschriebene Kunstturner, harren sie (scheinbar mühelos) in diesem Zustand der Daueranspannung aus und verdrängen die Tatsache, dass der Boden unter ihren Beinen rissig wird. Das Leben wird auf später vertagt, erst einmal haben sie zu funktionieren.


Der Burn-on kurz zusammengefasst


Beim Burn-on schleicht sich eine chronische Form der Erschöpfung, auch chronische Erschöpfungsdepression genannt, langsam ein, welche die Betroffenen innerlich regelrecht aushöhlt. Überarbeitung, Dauerbelastung bzw. Dauerstress liegen diesem Krankheitsphänomen zugrunde. Trotz tiefer Erschöpfung werden die Pflichten mit einem Lächeln auf dem Gesicht einwandfrei erledigt. Innerlich fühlen sich Burn-on-Betroffene aber wie eine energie-, freud- und antriebslose leere Hülle, die am Leben vorbeilebt.


Der Burn-on bedroht uns alle, direkt oder indirekt


Ist man mit den Eigenschaften des Burn-ons vertraut, merkt man sehr schnell, wie verbreitet dieser in unserer westlichen Gesellschaft schon ist, Tendenz steigend! Wir alle sind entweder selbst betroffen oder kennen Menschen, die betroffen sind. Vielleicht sogar unsere Liebsten? Es besteht also dringender Handlungsbedarf, damit unsere Gesellschaft eine gesunde und glückliche Zukunft vor sich hat.


In der gleichen Blogserie zeige ich dir einen möglichen Weg aus dem Burn-on, inklusive Schritt-für-Schritt Anleitung: einfach, zeitsparend und effektiv. Hier geht’s zum Blogbeitrag: «Burn-on: eine Schritt-für-Schritt-Anleitung aus der chronischen Erschöpfung».


 

Zur Autorin

Als ehemalige Burn-on-Betroffene ist es mir ein grosses Anliegen einen Beitrag zur Sensibilisierung und Aufklärung rund um das Burn-on-Syndrom zu leisten. Ich hoffe mit dieser Blogserie möglichst vielen Menschen dabei zu unterstützen ihre Situation, Gefühle oder Ängste besser zu verstehen, damit sie sich selbst helfen können bzw. Hilfe bekommen.

Als HeartMath® Coach begleite ich zudem meine Klientinnen und Klienten ganz gezielt auf ihrem individuellen Weg aus dem Burn-on.



Quellenangabe

Buch «Burn on: Immer kurz vorm Burn out Das unerkannte Leiden und was dagegen hilft», Prof. Dr. Bert te Wildt, Timo Schiele, 2021, Droemer Verlag

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